Hannah Monyer erklärt: Warum Erinnerungen mehr sind als Fakten!

Erfahren Sie mehr über die Neurobiologin Hannah Monyer und ihre Erkenntnisse zur Erinnerung und Prousts Einfluss auf die Forschung.
Erfahren Sie mehr über die Neurobiologin Hannah Monyer und ihre Erkenntnisse zur Erinnerung und Prousts Einfluss auf die Forschung. (Symbolbild/MBW)

Hannah Monyer erklärt: Warum Erinnerungen mehr sind als Fakten!

Heidelberg, Deutschland - Wie oft haben wir schon das Gefühl gehabt, dass Erinnerungen wie flüchtige Schmetterlinge durch unseren Kopf fliegen? Die renommierte Neurobiologin Hannah Monyer, die 1957 in Großlasseln, Rumänien, das Licht der Welt erblickte, hat sich intensiv mit dem Thema Gedächtnis und Erinnerung beschäftigt. Im Interview mit dem FAZ-Magazin spricht sie über die faszinierenden Mechanismen unseres Gedächtnisses und die Bedeutung von Marcel Prousts literarischem Werk für die Neurowissenschaften.

Bereits in ihrer Kindheit wusste Monyer, dass Schmerz ein Signal ist, das man verstehen kann. Ihr Traum, Ärztin zu werden, führte sie mit 17 Jahren nach Heidelberg, wo sie ihr Abitur nachholte und schließlich Medizin studierte. Ihre Karriere als Wissenschaftlerin brachte sie auch zu einem Forschungsaufenthalt in Stanford und zur Arbeit in der Kinderpsychiatrie und Neuropädiatrie. Seit 1999 leitet sie die Klinische Neurobiologie an der Universitätsklinik Heidelberg und in dieser Rolle hat sie sich der Erforschung der Gedächtnisfunktionen verschrieben.

Prousts Einfluss auf die Gedächtnisforschung

Monyer betont, dass Prousts Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ eine Schlüsselrolle in der Gedächtnisforschung spielt. Proust beschreibt den Prozess der Erinnerung als eine Kettenreaktion, die nicht durch gezielte Anstrengungen, sondern oft unwillkürlich ausgelöst wird. Ein bekanntes Beispiel ist die Szene mit der Madeleine, deren Geschmack Erinnerungen an die Kindheit weckt, die der Erzähler für verloren hielt. Hier zeigt sich, dass emotionale Reaktionen eng mit der Erinnerung verknüpft sind – eine Erkenntnis, die von der modernen Neurowissenschaft gerne aufgegriffen wird.

Studien belegen, dass Erinnerungen nicht starr sind. Laut einer Untersuchung auf NCBI unterscheiden Forscher zwischen freiwilligem Gedächtnis, bei dem bewusste Anstrengungen zur Erinnerung unternommen werden, und unwillkürlichem Gedächtnis, das ohne aktive Suche funktioniert. Dies knüpft an die Arbeiten von Proust an, der erkannte, dass sensorische Hinweise entscheidend für autobiografische Erinnerungen sind.

Die Mechanismen des Vergessens

Dabei verlässt sich unser Gedächtnis auf eine ständige Bewegung zwischen dem Festhalten und dem Vergessen. Wie Scinexx beschreibt, bauen sich Erinnerungen kontinuierlich auf und blassen mit der Zeit allmählich ab. Informationen, die wir häufig nutzen, wie etwa der PIN unserer Bankkarte, stärken die Verbindungen zwischen unseren Nervenzellen, während selten benötigte Infos schwächer werden. Gehirnstrukturen passen sich flexibel an, was bedeutet, dass wir die Fähigkeit zur Veränderung in uns tragen.

Monyer führt aus, dass Ruhe und Inaktivität zentrale Bestandteile des Lernprozesses sind. Genau in diesen Momenten konsolidiert das Gedächtnis seine Informationen. Diese Überlegung hat weitreichende Konsequenzen für die Pädagogik. Lernen sollte Raum für das Unbewusste und Assoziative schaffen, denn Vertrauen in das Gedächtnis spielt eine entscheidende Rolle – ohne es zu überfordern.

Erstaunlich, wie vielschichtig und feingliedrig unser Gedächtnis arbeitet, oder? Und während wir uns bemühen, die Fäden unserer Erinnerungen zusammenzuhalten, können wir dank der Forschung von Proust und modernen Neurobiologen wie Monyer mehr über die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Erinnerung lernen. In jedem von uns schwingt ein eigener Proust mit, der uns an die kleinen sich verbergenden Schätze unserer Lebensreise erinnert.

Details
OrtHeidelberg, Deutschland
Quellen