Im Schauspiel Stuttgart: Horváths Zur schönen Aussicht begeistert!

Im Schauspiel Stuttgart: Horváths Zur schönen Aussicht begeistert!
Stuttgart, Deutschland - Am 21. Juni 2025 feierte das Schauspiel Stuttgart die Premiere von Ödön von Horváths Stück „Zur schönen Aussicht“. Unter der Regie von Christina Tscharyiski begeisterte das Ensemble mit einer Inszenierung, die ganz auf Stilisierung setzt, anstatt in den milde-realistischen Körben der Realität zu schmoren. Das Bühnenbild, das einen riesigen liegenden Unterleib zeigt, anstelle einer gewöhnlichen Hotelhalle, zieht sofort die Aufmerksamkeit auf sich und spiegelt die abgründige Thematik des Stückes wider.
Im Mittelpunkt steht die Figur der Christine, die in einer verzweifelten Lage um Hilfe ruft. Interessant ist, dass sie erst nach mehr als einem Viertel des Stücks, in einem heruntergekommenen Hotel kurz vor dem Bankrott, in Erscheinung tritt. Ihre Rückkehr ist alles andere als einfach: Christine, eine ehemalige Geliebte des Hoteldirektors Strasser, wird von Gästen und Personal schroff behandelt, obwohl sie es ist, die um Unterhalt und Unterstützung bittet.
Gesellschaftskritik und Stilmittel
Horváth thematisiert in seiner Komödie Geldgier, Militarismus, Sexismus und die Gemeinheit gegenüber jungen Frauen. Gábor Biedermann verkörpert einen Müller, der eindringlich über soziale Missstände und das militaristische Klima spricht. Die Dialoge sind prägnant und zeigen, dass die Figuren oft unfähig sind, sich wirklich mitzuteilen. Dies passt zum sogenannten ‚Jargon der Uneigentlichkeit‘, ein Begriff, der die flache und klischeehafte Kommunikation in Horváths Werken charakterisiert. Persee erläutert, dass diese unrealistische Sprache ein Ergebnis von Entfremdung ist, was das Stück umso bedrückender macht.
Das Stück hat eine Laufzeit von 1 Stunde und 40 Minuten ohne Pause und lässt das Publikum in die Emotionen und auch die Absurditäten der Protagonisten eintauchen. Denkwürdig bleibt ein Satz von Christine aus dem Stück: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Dieser Satz, der bereits die Popkultur erreicht hat und in einer Abwandlung als Titelzeile eines Songs verwendet wurde, zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung und verstärkt den erschütternden ironischen Unterton.
Ensemble und künstlerische Gestaltung
Das Ensemble, bestehend aus Felix Strobel, Simon Löcker, Tim Bülow, Gábor Biedermann, Klaus Rodewald, Therese Dörr und Laura Balzer, bringt die komplexen Figuren mit Leben. Besonders markant ist das antirealistische Kostümdesign, in dem der Kellner Max in einer weißen Federjacke auftritt, was den surrealen Charakter der Inszenierung zusätzlich untermalt. Die Farblosigkeit der Hotelatmosphäre steht im starken Kontrast zu den eher bunten und übertriebenen Kostümen, was den sozialen Abstieg der Figuren visuell unterstreicht.
Die Uraufführung von „Zur schönen Aussicht“ fand im Jahr 1969 in Graz statt, das Stück gilt als soziale Komödie in drei Akten, die rund zwölf Stunden Handlung in einem heruntergekommenen Hotel behandelt. In der aktuellen Inszenierung wird die zugrunde liegende Botschaft erneut erlebbar, wobei die Thematik des Geldes und der Abhängigkeiten gnadenlos ins Licht gerückt wird. Damals wie heute bleibt die Frage, wie viel Wahrheit im Umgang der Gesellschaft mit Schwächeren tatsächlich steckt, und genau diese Frage wird im Schauspiel Stuttgart meisterhaft inszeniert. Nachtkritik hebt hervor, wie gelungen diese kritisch-künstlerische Auseinandersetzung in der aktuellen Zeit umgesetzt wird.
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Ort | Stuttgart, Deutschland |
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