150 Jahre Psychiatrie in Schussenried: Ein Blick auf dunkle Kapitel

Entdecken Sie die Geschichte von Bad Schussenried, von der Gründung der Heilanstalt bis zu zeitgenössischen Entwicklungen in der Psychiatrie.
Entdecken Sie die Geschichte von Bad Schussenried, von der Gründung der Heilanstalt bis zu zeitgenössischen Entwicklungen in der Psychiatrie. (Symbolbild/MBW)

150 Jahre Psychiatrie in Schussenried: Ein Blick auf dunkle Kapitel

Bad Schussenried, Deutschland - Am 9. März 1875 wurde die „Königliche Heil- und Pflegeanstalt Schussenried“ unter dem Württembergischen König Karl gegründet. Diese institutionelle Einrichtung hat sich seitdem stark gewandelt und ist heute als Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) bekannt. Anlass für ein großes Fest war das Jubiläum der Gründung, bei dem Historiker Bernd Reichelt und Prof. Thomas Müller die bewegte Geschichte der Einrichtung beleuchtet haben, wie die Bildschirmzeitung berichtet.

Waren die ersten Behandlungsmethoden in der Heilanstalt noch eher rudimentär, mit Isolierzellen und Beruhigungsmitteln, ließ die Entwicklung nicht lange auf sich warten. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden sogenannte „agrikole Kolonien“ eingeführt, die auf Arbeitstherapie setzten. Ein gravierender Schatten auf die Geschichte der Einrichtung fiel jedoch im Dritten Reich: Zwischen 1934 und 1939 fanden Zwangssterilisierungen statt, und die berüchtigte „Aktion T4“ führte 1940 zum Massenmord an psychisch Kranken. Aus Schussenried wurden 619 Patienten deportiert. Insgesamt fielen zwischen 250.000 und 300.000 psychisch Kranke dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer, wie die DGPPN dokumentiert.

Gewissensfragen einer dunklen Vergangenheit

Im Rahmen der „Aktion T4“ wurden die Entscheidungen über Leben oder Tod der Patienten größtenteils von Psychiatern getroffen, die oft nicht mit den Patienten persönlich in Kontakt standen. Diese Morde wurden durch ein Ermächtigungsschreiben Hitlers legalisiert. Die mörderischen Praktiken fanden nicht nur im Deutschen Reich statt; auch in besetzten Gebieten wurden zahlreiche Patienten ermordet. Betroffene erlitten Grausames durch Vergasung, Medikamente oder ungenügende Ernährung. Die medizinische Erfassung der Patienten zur Grundlage dieser Entscheidungen ist bis heute ein trauriges Kapitel in der Geschichte der Psychiatrie, das wir nicht vergessen dürfen.

Nach dem Krieg erlebte die Einrichtung eine Erneuerung – die Dominanz der Arbeitstherapie und die Einführung von Psychopharmaka in den 1950er Jahren prägten die medizinische Ausrichtung. Die Krankenhauslandschaft veränderte sich, 1970 wurde der Sozialdienst in der Psychiatrie ein bedeutender Akteur und 1980 entstand der „Freundeskreis Bad Schussenried“, heute bekannt als „Bela e.V.“. Eine wichtige Neuerung war der Ausbildungskurs für Pflegeberufe, der 1961 im PLK Schussenried eingeführt wurde.

Aktuelle Herausforderungen und Ausblick

Aktuell zählt die Einrichtung 99 ambulante Klienten und 48 in stationären Wohngruppen, während die Klinik über 150 Betten verfügt. In der forensischen Psychiatrie stehen zusätzlich 180 Plätze zur Verfügung. Insgesamt sind rund 1.300 Beschäftigte in der Institution tätig, darunter 1.100 im medizinischen Bereich sowie 85 Auszubildende. Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp betont die Notwendigkeit von Reformen in der Forensik, während Bürgermeister Achim Deinet mehr Therapieplätze in anderen Landesteilen fordert. Der Blick auf vergangene Fehler zeigt den Weg in eine bessere Zukunft.

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist sowohl für die Einrichtungen als auch für die Gesellschaft von Bedeutung, um zu verhindern, dass sich historische Fehler wiederholen. Es ist an der Zeit, den Opfern breiter Aufmerksamkeit zu schenken und die Lehren aus der Geschichte umzusetzen, damit wir nicht vergessen, was geschehen ist.

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OrtBad Schussenried, Deutschland
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